
Spätestens mit der globalen Ausbreitung des Corona-Virus SARS-CoV-2 ist offenkundig: Wir leben in einer Zeit der Unsicherheit. Der Eindruck, dass die Welt unsicherer wird, drängt sich derzeit überdeutlich auf, hat aber auch in den letzten Jahren das soziale und politische Leben in westlichen Demokratien geprägt. Zunehmend werden diese durch gesellschaftliche Spaltung, aggressive Sprache, Missachtung Andersdenkender und den Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen erschüttert. Bei der Frage nach den Ursachen für diese Entwicklungen wird häufig auf Unsicherheit, Ungewissheit und Angst verwiesen.
Angesichts von globalen Dynamiken und Veränderungen wie Migration, Klimaerwärmung, wachsender sozialer Ungleichheit und dem Aufbrechen traditioneller Geschlechterrollen haben einzelne Personen und Personengruppen das Gefühl, dass ihre Strategien im Umgang mit der Wirklichkeit nicht mehr in gewohnter Weise funktionieren. Diese Erfahrungen können mitunter produktiv genutzt werden, so etwa wenn in der Corona-Krise sozialer Zusammenhalt und Rücksichtnahme auf Schwächere betont werden. Sie können aber auch in einem Gefühl kollektiver Überforderung münden. In diesem Fall kann gefühlte Unsicherheit ein Problem nicht nur für Einzelne werden, sondern auch für Gesellschaften insgesamt.
Insbesondere am Erstarken rechtspopulistischer und rechtsnationaler Bewegungen in Europa und anderen Teilen der Welt wird deutlich, dass die erfahrene Unsicherheit eine Belastungsprobe für demokratische Gesellschaften darstellt. Totale Sicherheit erscheint angesichts der tatsächlichen oder imaginierten Probleme verlockend – bleibt aber illusorisch. Zudem kann ein rigoroses Streben allein nach Sicherheit und Gewissheit Freiheiten und sozialen Zusammenhalt erodieren lassen, woraus neue Probleme und häufig neue Unsicherheit erwachsen.
Gegenwartsgesellschaften als dynamische Gebilde sind herausgefordert, wenn bewährte Lösungen und erfahrungsbasierte Routinen nicht mehr in gewohnter Weise funktionieren. Es gilt dann auf kollektiver wie individueller Ebene, neue Formen des Handelns und Deutens zu entwickeln.
Menschen verfügen über zahlreiche Ressourcen, ihre Handlungsfähigkeit trotz tatsächlicher oder gefühlter Unsicherheit aufrechtzuerhalten. Vor diesem Hintergrund identifiziert die Arbeitsgruppe „Unsicherheit Jetzt!“ im Rahmen der Global Young Faculty VI Strategien, wie Unsicherheit sowohl von Einzelpersonen als auch von Gesellschaften als Ganzes ausgehalten wird. Auf dieser Webseite präsentieren wir die Ergebnisse unserer Untersuchungen in Form verschiedener Rubriken: einem Glossar von Strategien zum Aushalten von Unsicherheit; Literatur, sowohl akademisch als auch populär, die sich mit dem Thema Unsicherheit beschäftigt; Theorien und Methoden, mit welchen die Arbeitsgruppe das Thema untersucht; und Künstlerisches, das sich dem Themenfeld widmet.
Wir wünschen viel Spaß beim Stöbern und Weiterdenken und freuen uns auf Rückfragen und konstruktive Anregungen!
Die GYF-VI AG „Unsicherheit Jetzt! Strategien, Praktiken, Ressourcen“