
Dr. Evangelia Kindinger
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
American Studies
Fakultät für Philologie
Ruhr-Universität Bochum
Warum sind Sie Wissenschaftlerin geworden?
Ich stand nach meinem Master-Abschluss in Anglistik/Amerikanistik und Theaterwissenschaft vor der Entscheidung am Theater zu arbeiten, was ich damals schon tat, oder zu promovieren und an der Universität zu unterrichten. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, mit Forschen und Schreiben fertig zu sein, oder mit dem Universitätsleben an sich. Das Studium hat mir so vieles beigebracht, dass ich dieses Gefühl der Möglichkeit und des Neuen, das durch Forschung entsteht, wie auch durch den Kontakt mit Studierenden, nicht loslassen wollte und immer noch nicht will. Auch wenn die Arbeitsverhältnisse für wissenschaftliche Mitarbeiter:innen prekär sind, bereue ich meine Entscheidung nicht, würde mir aber wünschen, dass die Arbeit, die wir leisten mit langfristigen Verträgen honoriert wird.
Woran arbeiten Sie?
Am kulturellen Bild, das US-amerikanische Medien (Literatur, Zeitungen, Film, Fernsehen, Musik) über weiße, arme Südstaaler:innen seit dem 19. Jahrhundert schaffen und vermarkten.
Was fasziniert Sie an Ihrer Arbeit?
Mich fasziniert die Freiheit, die ich habe, mich einem Thema hinzugeben, das mich interessiert und für welches ich mich entschieden habe. Forschung endet nie, das ist faszinierend, aber gleichzeitig auch einschüchternd. Ich habe mich für die Faszination entschieden. Der Austausch mit Kolleg:innen ist dabei sehr wichtig, denn wenn Forschung in der Philologie oft einsam erscheint, lerne ich viel von meinen Kolleg:innen, und wenn sie mir nur nebenbei von einer Serie erzählen, die in den Südstaaten der USA spielt. Die schönen Momente sind vielfältig: auf Konferenzen sein, andere Orte und Universitäten kennenlernen. Der Moment, wenn der eigene Text endlich veröffentlicht wird. Der Durchbruch beim Schreiben, wenn man plötzlich 5 Seiten geschrieben hat ohne es zu merken. Der Luxus forschen zu können gegen Bezahlung. Aber auch der Kontakt zu Studierenden, denn wenn ich merke wie sie sich selber Wissenschaft erschließen und forschen lernen, bin ich stolz und das inspiriert mich immer wieder.
Was unterscheidet den/die Wissenschaftler:in von Personen anderer Berufsgruppen?
Unsere Arbeit endet nie. Es kann immer noch mehr geforscht, noch mehr vernetzt, noch mehr gereist, noch mehr veröffentlicht werden. Man kann sich zwar die Arbeit oft selbst einteilen, aber der Preis dafür ist, dass man nie fertig ist. Ich habe lange gebraucht, um zu lernen, eine Balance zwischen Forschung und Freizeit zu halten. Auf Englisch sagt man „self care“ dazu: Meine Arbeit ist wichtig, aber ich kann sie auch mal liegen lassen um etwas zu unternehmen und zu entspannen.
Würden Sie anderen raten, in die Wissenschaft zu gehen?
Das hängt von der Wissenschaft ab. Auch wenn die deutsche Amerikanistik groß ist und international bedeutende Arbeit leistet, ist es schwer an Stellen zu kommen, oder an Forschungsgelder. Meine Zukunft ist recht ungewiss, aber ich genieße die Zeit, die ich jetzt habe und glaube an die Kompetenzen, die ich in den letzten Jahren entwickelt habe.
Was für ein Typ muss man sein, um in der Wissenschaft zu arbeiten?
Passioniert, unnachgiebig, risikofreudig und gut organisiert.