Forschung zwischen Grundlagen und Anwendung: Lösung zukünftiger Herausforderungen erfordert beides

Global Young Faculty diskutiert mit Vertretern aus der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik über den „Nutzen“ der Forschung

Essen, 24. Januar 2013. Der Druck  auf die Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Wissenschaftler ist in den letzten Jahren weiter gestiegen: Forschung soll gesellschaftlich relevanter und  ökonomisch verwertbarer sein. Vertreter aus der Wissenschaft, Wirtschaft und Politik diskutierten auf einer Veranstaltung der Global Young Faculty, einem  Netzwerk herausragender Nachwuchswissenschaftler im Ruhrgebiet, zum Thema „Wissenschaft, die nicht verwertbar ist, ist nichts wert?!“ über den Nutzen der  Forschung. Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion kamen zu dem Schluss, dass zweckfreie Forschung und der Anspruch gesellschaftlicher Nützlichkeit keine  Gegensätze sind. Die Lösung großer und drängender gesellschaftlicher Fragen verlange vielmehr eine engere Verzahnung zwischen Grundlagenforschung und Anwendung.

Der Anspruch an die Wissenschaft, den Nutzen ihrer Forschung zu begründen, wächst. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten erwartet die öffentliche Hand  Ergebnisse und Erträge als Resultat der Forschungsförderung. Wirtschaftsunternehmen haben ihrer Natur nach Interesse an wirtschaftlich verwertbarer Forschung. Soll die anwendungsorientierte Forschung, die einen konkreten Nutzen mit den Forschungsergebnissen verbindet, deshalb einen Vorrang vor der  Grundlagenforschung haben und besser gefördert werden? Muss die Grundlagenforschung wegen ihrer Zweckfreiheit ihre Daseinsberechtigung beweisen?

„Forschung aus Neugier und nutzenorientierte Forschung sind gleichermaßen wichtig und legitim. Nutzen ist allerdings ein vieldeutiger Begriff“, so Dr. Beate Wieland, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung des Wissenschaftsministeriums des Landes NRW. Das führt zu der Frage, was man unter Nutzen versteht,  wo er anfängt und wie man ihn bewertet.

„Nutzen“ auf den zweiten Blick
Der Nutzen der Grundlagenforschung wird unter rein ökonomischen Gesichtspunkten oft kritisch hinterfragt. Er basiert auf reinem Erkenntnisgewinn, die  Ergebnisse sind nicht messbar und es gibt zunächst keine konkreten Anwendungsmöglichkeiten. Die Geschichte weist aber eine Vielzahl von Belegen auf, wo die  Erkenntnisse der Grundlagenforschung zu einem späteren Zeitpunkt in die angewandte Forschung eingeflossen sind und zu Produkten wurden. So wurde Teflon,  das heute allgegenwärtig ist, bereits 1938 durch Roy J. Plunkett zufällig erfunden und ohne die Erkenntnisse von Heinrich Rudolph Hertz über elektromagnetische  Wellen, wäre ein Leben mit Fernsehen oder Handy nicht vorstellbar. Grundlagenforschung bildet somit oft die Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg und macht  angewandte Forschung erst möglich. Neben dem monetären Nutzen spielt für Unternehmen aber auch der gesellschaftliche Aspekt der Forschung zunehmend eine  Rolle. „Der Bedarf an nachhaltigen Lösungen für die großen Herausforderungen der Menschheit erfordert eine breite, über Technologie hinausgehende, letztendlich  nutzbringende Wissensbasis. Dazu gehört auch der zunächst reine Erkenntnisgewinn, der möglicherweise erst im Nachhinein einen messbaren Wert schafft“, sagte Dr. Peter Nagler, Leiter Innovation der Evonik Industries AG.

Vielfältige Forschungsperspektiven
Die Größe dieser globalen Herausforderungen zeigt sich daran, dass Forschung beispielsweise zum Thema Klimawandel natur-, sozial- und  wirtschaftswissenschaftliche, aber auch kulturwissenschaftliche Fragen beantworten muss und ein gemeinsames Forschen über alle disziplinären Grenzen hinweg erfordert. „Die strikte Trennung zwischen Geisteswissenschaften und MINT-Wissenschaften existiert nicht mehr und diese Nähe ist fruchtbar und spannend“, erklärte Prof. Dr. Eckhard Weidner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik(Umsicht).

Wechselwirkung zwischen Erkenntnis und Anwendung
Geht man zudem davon aus, das es keine Einbahnstraße von der Grundlagenforschung zur Anwendung gibt, sondern sich neue wissenschaftliche Fragestellungen  auch aus der anwendungsorientierten Forschung ergeben, so führt eine engere Verzahnung von Grundlagenforschung und Anwendung zu einem vermehrten  wirtschaftlichem und gesellschaftlichen Nutzen.

„Die Aufgabe der Universitäten ist auch zukünftig die Grundlagenforschung, ohne die es kein „verwertbares“ Wissen gäbe. Deshalb sollten wir den Wissenstransfer  in der Wertschöpfungskette der Forschung weiter fördern, damit die gewonnenen Erkenntnisse noch besser wirksam werden“, so Prof. Dr. Elmar Weiler, Rektor der Ruhr-Universität Bochum.

Weitere Informationen
www.global-young-faculty.de
Die Organisatoren In der Global Young Faculty treffen sich herausragende Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Metropole Ruhr, um in interdisziplinären Arbeitsgruppen Themen von gemeinsamem Interesse zu bearbeiten. Das Netzwerk ist eine Initiative der Stiftung Mercator in Zusammenarbeit  mit der Universitätsallianz Metropole Ruhr (UAMR) und wird vom Mercator Research Center Ruhr (MERCUR) in Essen koordiniert.